Freiräume, Sozialdienste und Gleichstellung

Neue Frauenbewegung und Wertewandel in der katholischen Provinz in den 1970er bis 1990er Jahren

Die Geschichte der Neuen Frauenbewegung in der Bundesrepublik wurde bisher überwiegend mit Blick auf ihre Entwicklung in den großstädtischen Zentren wie Berlin, Frankfurt oder München erforscht, wo sie im Zuge der Studentenbewegung ihren Anfang genommen hat. Weniger untersucht wurde, wie seit den 70er Jahren auch in kleineren Städten und ländlichen Regionen vielfältige neue Frauenvereinigungen, –initiativen und –projekte entstehen konnten und welche Wirkung sie dort entfalteten.

Am Fallbeispiel der katholisch geprägten Stadt und Region Trier untersucht das Forschungsprojekt die allmähliche Ausbreitung und wachsende gesellschaftliche Verankerung von Zielen und Werthaltungen der Neuen Frauenbewegung jenseits der Metropolen in einem mittelstädtischen und ländlichen Umfeld. Das Forschungsfeld bilden Frauenvereinigungen, -initiativen und –projekte, die in den 70er bis 90er Jahren ins Leben gerufen wurden. Wer waren ihre Protagonistinnen und woher bezogen diese ihre Motivation und ihre Ideen? Für welche Ziele setzten sie sich ein und in welchen Spannungsfeldern bewegten sie sich damit vor Ort? Welche Unterstützung erfuhren sie von außen und wo stießen sie auf Widerstand? Wie haben etablierte Institutionen, das heißt Kirchen, konfessionelle Wohlfahrts- und Bildungsvereine, Kommunalpolitik und –verwaltung oder Gewerkschaften und Kammern auf die Herausforderung durch die Frauenbewegung reagiert? Welche Rolle spielten neue akademisch geprägte Gruppen seit Neugründung der Trierer Universität 1970 für die Ausbildung von Bewegungsinitiativen oder die staatliche Gleichstellungspolitik ab Mitte der 80er Jahre für die weitere Entwicklung der Fraueninitiativen?

Anhand dreier zentraler Aktionsfelder – Bildung und Kultur, soziale Unterstützung und Beratung sowie politische Initiativen – soll den Wechselbeziehungen zwischen Bewegungsbasis und etablierten Institutionen nachgegangen werden. Wie wurden „alte“ und „neue“ Werte in der lokalen Öffentlichkeit verhandelt und was lässt sich daraus für den Wandel von Werthaltungen seit den 70er Jahren ableiten? Neben der Auswertung zeitgeschichtlicher Dokumente aus Archiven und Bibliotheken stützt sich das Vorhaben methodisch auf die Befragung von ZeitzeugInnen (oral history ) und die historische Netzwerkanalyse. Anhand seiner empirischen Ergebnisse für die Stadt und Region Trier und eines anschließenden Vergleichs mit Frauenbewegungen in anderen Mittelstädten fernab der Metropolen setzt sich das Projekt mit Theorien des Wertewandels auseinander.

New Women’s Movement and change of values in the Catholic province from the 1970s to the 1990s

So far, research on the history of the New Women’s Movement in Germany has mainly focused on its development in large cities like Berlin, Frankfurt or Munich, where it started at the time of the student movement. However, there has been less research on the development and impacts of various new women’s associations, initiatives, and projects in smaller communities and rural areas since the 1970s.

By the example of the traditionally Catholic city of Trier and the region around it, the research project has studied the gradual spreading and social rooting of the objectives and values of the New Women’s Movement far away from the large cities in a medium-sized town and rural environment. The research field incorporates women’s associations, initiatives, and projects established during the 1970s and 1990s. Who were the protagonists and where did they get their motivation and ideas? What goals did they fight for and what were the local tensions and conflicts they became thus involved in? What kind of external support did they receive and who were their opponents? What were the reactions of established institutions, i.e. churches, religious welfare and educational associations, local politics and administration, or labor unions and chambers to the challenge posed by the women’s movement? What influence did new academic groups founded after the re-establishment of Trier University in 1970 have on the formation of movement initiatives, or what role did the national equality policies enacted in the middle of the 1980s play for the further development of the women’s initiatives?

The interrelations between the basis of the movement and established institutions have been studied by focusing on three central fields of action: education and culture, social support and counseling, and political initiatives. How were „old“ and „new“ values discussed in the local public and which conclusions for the change of values since the 1970s can we draw therefrom? In addition to the analysis of documents of contemporary history from archives and libraries, the project is methodologically based on the interviewing of witnesses (oral history) and historical network analysis.