Professioneller Vereinsfußball in Deutschland und England seit 1961
Der professionelle Vereinsfußball erfuhr in Deutschland und England seit den 1960er Jahren einen mehrfachen Bedeutungswandel – eine Entwicklung, die in beiden Ländern nahezu parallel verlief. In der Nachkriegszeit als Freizeitbeschäftigung weitgehend konkurrenzlos, verlor der Besuch im Fußballstadion insbesondere mit der Verbreitung von Fernsehen und Automobil zunehmend seine gesellschaftliche Relevanz. Die Vereine hatten der symbolischen Abwertung des Spiels wenig entgegenzusetzen, sodass die 1980er Jahre geprägt waren von Misswirtschaft, Zuschauerschwund und Gewaltvorkommen in den Stadien. Mit dem Siegeszug des europäischen Privatfernsehens, das den Fußball als Vermarktungsvehikel entdeckte und riesige Summen in die leeren Vereinskassen spülte, vollzog sich ab 1990 die vollständige Professionalisierung des Fußballbusiness und die heute allgegenwärtige Verankerung im gesellschaftlichen Mainstream.
Ziel der Arbeit ist es erstens, auf der Makroebene die Geschichte des Vereinsfußballs an gesellschaftliche, ökonomische und mediale Veränderungen rückzubinden. Welche Faktoren führten dazu, dass der Profifußball zunächst zu den Verlierern der Wohlstandsgesellschaft zählte, und in welchem Kontext fand der Umbruch zu einer umfassenden Kommerzialisierung seit den späten 1980er Jahren statt? Inwiefern verweisen diese Entwicklungen auf tieferliegende Strukturbrüche in den westeuropäischen Industrieländern, welche symptomatisch für die Zeit nach dem Boom waren? Zentrale Schnittstellen, die sich aus der vergleichenden Betrachtung bisher herauskristallisierten, bilden insbesondere die Auswirkungen veränderter Konsummuster, die Transformation der Medienlandschaft sowie Verschiebungen auf Ebene ökonomischer Ordnungsvorstellungen.
Zweitens wird den Auswirkungen dieses Wandels auf der Meso- und der Mikroebene nachgegangen. Nahmen Verbände, Organisationen und Vereine die strukturellen Veränderungen wahr? Wenn ja, welchen Einfluss hatte dies auf ihr Handeln und ihre strategische Ausrichtung? Anpassungsprozesse verliefen selten reibungslos, sondern gingen meist mit Widerständen und Abwehrreaktionen einher, insbesondere dort, wo Fragen der Identität mitverhandelt wurden. Der Blick auf die Eigendynamiken und Kontinuitäten der Fußballbranche sowie nationale Besonderheiten bietet zudem ein Korrektiv zur Erzählung vom ubiquitären Strukturbruch.
Drittens sollen die bislang dominierenden dichotomen Narrative von der Kommerzialisierung und vom Ausverkauf einerseits und vom Markterfolg andererseits hinterfragt und wo möglich historisiert werden. Neben Erfolgsgeschichten sollen Verlusterzählungen (z.B. durch gescheiterte Vereine oder die Exklusion von Fans) und Gegennarrative in den Blick genommen und auf ihre Entstehungskontexte hin untersuch werden.