Zur Bevölkerungspolitik internationaler Organisationen in Kenia (1960er bis 1980er Jahre)
Gegenstand des Dissertationsprojekts ist die diagnostizierte Überbevölkerung in Kenia seit Mitte der 1960er Jahre. Vor dem Hintergrund einer befürchteten „Bevölkerungsexplosion in der Dritten Welt“ versuchten internationale Organisationen, Experten und kenianische Funktionseliten nach der Unabhängigkeit Kenias 1963 die Bevölkerung des Landes zu erfassen und ihr Wachstum zu beeinflussen. Erkenntnisleitend ist erstens die Frage nach der Genese von Bevölkerungswissen. Wie wurde Bevölkerung von Demographen mithilfe von Statistiken konstruiert? In einem zweiten Schritt soll untersucht werden, auf welche Art und Weise statistische Daten herangezogen wurden, um Bevölkerungswachstum zu problematisieren und welche Praktiken implementiert werden sollten, um dieses Wachstum zu bekämpfen.
Die Problematisierung von Bevölkerung lässt sich als Produkt modernisierungstheoretischer Ordnungsvorstellungen verstehen. Gleichzeitig wurde diese Wahrnehmung handlungsleitend, so dass Modernisierung nicht allein als theoretischer Denkrahmen beschrieben, sondern als Praxis in den Blick genommen wird. Über diese Praxis sollten Familienbilder, ländliche Räume und Wirtschaftsformen neu strukturiert werden. Inwiefern der massive Glaubwürdigkeitsverlust der Kategorie Modernisierung in den Industriegesellschaften seit den 1970er Jahren Auswirkungen auf die Konzeption von Bevölkerung und die bevölkerungspolitische Praxis in Kenia hatte, wird zu untersuchen sein.